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Rhythmisch-musikalisches Erleben, sei es zum ästhetischen Genuß oder in bildender und therapeutischer Absicht, setzt Strukturen im Menschen voraus, die musikalischen Gesetzmäßigkeiten gehorchen.

Dies gilt nicht nur für das unmittelbar aufnehmende Gehörorgan, für das z.B. in Gestalt der Schnecke entsprechende Bildungsgesetze bekannt sind (vgl. HAASE 1976), vielmehr muß es auch für den ganzen Organismus gelten, denn der ganze Mensch ist als Bewegungsorganismus, als Empfindungsorganismus und als Gedankenorganismus am Erleben der Musik beteiligt. Musik und musikalische Bewegung sind Künste, die sich im Zeitlichen verwirklichen und Zeitorganismen bilden. Von den Grundelementen der Musik (Melodik, Rhythmik, Metrik, Harmonik, Agogik, etc.) sind in erster Linie Metrik, Rhythmik und Agogik zeitliche Bestimmungen. Melodik und Harmonik stellen zwar auf den ersten Blick eher ästhetisch-inhaltliche Elemente dar, doch liegen auch ihnen im Hinblick auf Tonschritte und Tonverhältnisse letztlich zeitlich bestimmte Ordnungsmerkmale zugrunde.

Es besteht daher Grund genug, nach biologischen Zeitstrukturen im Menschen zu fahnden, die als – wie auch immer geartete – Äquivalente oder Reagenten für das musikalische Tun und Erleben in Betracht kommen. Gerade im Hinblick auf die pädagogischen und therapeutischen Möglichkeiten der Musik dürfte es von Bedeutung sein, zu wissen, in welcher Weise und wo musikalisch-zeitliche Funktionsordnungen und Strukturen im Organismus verwirklicht sind.

Die Ergebnisse der modernen Chronobiologie und Chronomedizin haben gezeigt, daß der menschliche Organismus nicht nur eine komplizierte Raumgestalt besitzt, sondern auch über eine hochdifferenzierte Zeitgestalt verfügt, die aus zahlreichen rhythmischen Zeitstrukturen aufgebaut ist.

 
                                   
 
Abb. 1 zeigt ein Spektrum der Haupttypen rhythmischer Funktionen, das nach der Periodendauer (logarithmisch) geordnet ist. Es umfaßt etwa 2 x 12 Oktaven, von etwa einer Millisekunde bis zur Größenordnung eines Jahres.
Die Reihe der angeführten Funktionen läßt erkennen, daß mit steigender Periodendauer die Komplexität der Rhythmen zunimmt, von den zellulären Rhythmen über Gewebs- und Organrhythmen zu den Rhythmen komplexer Systeme und schließlich solchen, die den gesamten Organismus umfassen und gar darüber hinausweisen (Reproduktions- und Populationsrhythmen).
Immer mehr Teilfunktionen werden zu gemeinsamer Aktion zusammengefaßt, so daß eine hierarchische Gliederung besteht, in welcher Weise die jeweils längerwelligen Funktionen auch die kürzerwelligen in ihren Rhythmus einbeziehen.
   
                                   
                  Abb. 1

Übersicht über die bevorzugten Perioden-dauern (Frequenzbanden) rhythmischer Funktionen beim Menschen.
Die Skala der Periodendauern ist logarith- misch geteilt. Die stabilen Frequenzbanden der Spontanrhythmen sind besonders hervor-gehoben.

(Nach Hildebrandt 1975, verändert)

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
                                   
                               
                                   
  Mit freundlicher Genehmigung von AAR EDITION INTERNATIONAL
© Wissenschaftliche Musik Medizin 2005
 
 
                                   
                                   
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