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Seinem
Wesen nach ist der innere Atem die Essenz der Musik. Der innere Atem
dringt in den Geist ein und belebt ihn von innen her. Dadurch erhält
der Geist Universalität – unendlich vielfältige Form.
Das feine
Vibrieren des inneren Atems bewirkt im Geiste die Verbindung aller Parameter
der Musik, und diese vollendete Koordination führt zur natürlichen
Integration der Komposition.
Der Atem,
der von innen in den Geist eindringt, ist nicht mit unserem äußeren
Atem zu verwechseln, genauso wie der Gedanke an ein Haus nicht mit dem
materiellen Gebäude identisch ist.
Unser innerer Atem liegt unserem Denken zugrunde und bewirkt von der
Tiefe unseres Geistes her die Bewegung der Geistesoberfläche; er
ruft seine Wellenstruktur hervor.
Stellen wir
uns vor, dass die glatte Wasseroberfläche eines Sees von außen
her durch den Wind zur Wellenbewegung angeregt wird, so entspricht dies
im geistigen Bereich einer äußeren Anregung, zum Beispiel
über die Sinne der Wahrnehmung oder über die Erinnerung –
was auch zu einer Art Komposition führen mag.
Ganz anders
geschieht die wirklich kreative geistige Anregung durch den inneren
Atem; der innere Atem, der jenseits des Ein- und Ausatmens entspringt
und der unserem Ein- und Ausatmen zugrunde liegt, bewirkt durch den
Prozess der Selbsterkenntnis in sich selbst eine universale, unendlich
feine Vibration.
Diese subtile
Vibration durchdringt die Substanz unseres Geistes und regt diesen zur
Formgestaltung an, und so entsteht – auf der Grundlage des natürlichen
inneren Atems, aus der inneren Freiheit der Selbsterkenntnis heraus
– im Geiste des Tonkünstlers die lebendige Komposition.
Mit dem inneren
Atem wird die umfassendste Menschlichkeit, die Charakteristik der Seele,
in die Musik hineingetragen, und durch den inneren Atem wird im Klangereignis
die Musik auch wesenhaft erhalten.
Der innere Atem ist das feinste Werkzeug des Musikschaffens und das
Urmaterial der Musik selbst.
Er ist im
wahrsten Sinne des Wortes die Seele der Komposition, und er ist die
tiefste Stelle, zu welcher der Musikliebhaber geistig vordringen kann.
Und nur an dieser Stelle gelingt es dem Hörer, sich mit der musikalisch
ausgedrückten Wahrheit wirklich zu vereinen.
Und hier
empfindet der Hörer sich als identisch mit dem Komponisten selbst.
Hier erkennt sich der Hörer als den Komponisten aller Kompositionen
– als den Urheber aller Musik.
Hier, auf
der Ebene seines inneren Atems, erlebt der erkennende Hörer das
höchste musikalisch-schöpferische Machtgefühl und damit
das größte Glück im Bereich der Musik.
Wer selbst
schon das Material des Geistes so deutlich als Substanz erfährt,
wie er das Wassermaterial einer ihn umspülenden Wasserwoge wahrnimmt,
der erkennt trotzdem noch nicht die lebendige Substanz jenes inneren
Atems, welche die schöpferisch-freie geistige Wellenfunktion von
innen heraus bewirkt und dabei selbst wie im Verborgenen bleibt.
Das Mittel
zum Erkennen dieses inneren Atems liegt in der vollständigen Integration
des dreifach gegliederten Intellekts mit dem Ichbewusstsein – und ist
ein Geschenk des inneren Atems an das Ichbewusstsein. |
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