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  Peter Hübner  •  Musik und Gehirn aus musikalischer Sicht  
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Die Funktion des inneren Atems
in der Musik

 
                                   
 

Dieser unendlich subtile innere Atem ist dafür verantwortlich, dass der Geist den Charakter des Lebendigen annimmt und dass damit auch die Komposition den Charakter des Lebendigen annimmt und dass ebenso die musikalische Darbietung den Charakter des Lebendigen annimmt und zum Kunstwerk erblüht.

Ist dieser innere Atem auf der Ebene des Geistes nur schwach wirksam – was bedeutet, dass die Koordination von innerem Atem und Geist nur schwach ausgebildet ist –, so richten sich die geistigen Interessen des Menschen ganz automatisch und wie selbstverständlich mehr auf die irdische Sphäre des Leblosen und beschäftigen sich vorwiegend mit dem Aspekt des Materiellen.

Ist jedoch der innere Atem im Geiste stark wirksam, das bedeutet, sind Geist und innerer Atem vollendet integriert und auf der Ebene des Ichs zur Einheit verschmolzen, so beschäftigt sich dieser hochentwickelte spirituelle Mensch überwiegend mit dem Lebendigen selbst.
Er erkennt die ganze Natur als Ausdruck des Lebendigen selbst und drückt in seiner äußeren Handlung, in seiner Darbietung der Musik, auch nur das Lebendige aus.

Es ist der innere Atem, welcher substantiell die Lebendigkeit der Komposition ausmacht.
Von dieser Lebendigkeit hängt es ab, wieweit und wie umfassend eine Komposition den Hörer bewusst anzusprechen vermag.

Diese vom inneren Atem mitgegebene Lebendigkeit ist es, die ein Musikwerk zu einer ganz persönlichen Aussage der Seele werden lässt – im Unterschied zu einer äußerlich intellektuellen Überlegung.
Und der innere Atem ist es auch, der uns allen die Musik so unendlich viel vertrauter erscheinen lässt als alle äußerlichen, intellektuellen Aussagen.

Nur durch den bewussten Anteil an innerem Atem entsteht in der erlebten Musik ihre für den Verstand so befriedigende und für das Gefühl so erfüllende Wirkung – nicht durch irgend etwas anderes. Deshalb ist der innere Atem die Grundlage der Musik.

Der innere Atem der Musik ist die Totalität von Raum und Zeit, von Kausalität und Zweckfreiheit.
Er ist die Totalität der Freiheit aller Motive jenseits von Raum und Zeit und jenseits kausaler Überlegungen, und er ist die Totalität der Freiheit aller Sequenzen jenseits von Raum und Zeit – und doch erfasst er Raum und Zeit in ihrer Substanz.

Dieser innere Atem ist jenseits von Geburt und Vergehen der Musik, und er ist die unendlich verdichtete vielfältige Schönheit der Komposition.
Gegenüber diesem urlebendigen Kontinuum erscheint jede tönende Komposition auf der Ebene des Geistes nur wie ein Schattenbild gegenüber der tatsächlichen Wirklichkeit.

Hier liegt das anfangs- und endlose Feld der Musik, welches über die Kreativität des Künstlers sein Licht hinauswirft in die Welt der Töne und dessen Glanz wiederum in der musikalischen Aufführung das Ohr des Hörers erreicht.

Dieser Lichtschein des Lebenslichtes wurde in der bisherigen Musiktheorie nur wie schattenhaft erfasst. Aber zu allen Zeiten ging die Musikpraxis weiter in die Tiefe als die Theorie. Und diesem Umstand verdanken wir es auch, dass die Liebe zur Musik bis heute erhalten geblieben ist.

 
                                   
     

„Ich glaube zunächst, dass diese universale, schwingende Kraft die menschliche Seele mit der allmächtigen Zentralkraft verbindet, aus der das Lebensprinzip stammt, dem wir alle unser Dasein verdanken. Diese Kraft stellt für uns das Bindeglied zur höchsten Macht des Weltalls dar, von dem wir alle ein Teil sind. Wäre es nicht so, könnten wir uns nicht in Verbindung damit versetzen. Wer dies zu tun vermag, wird inspiriert.“

                                                 Richard Wagner

     
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
                                   
                               
                                   
  Mit freundlicher Genehmigung von AAR EDITION INTERNATIONAL
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