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Dieser
unendlich subtile innere Atem ist dafür verantwortlich, dass der
Geist den Charakter des Lebendigen annimmt und dass damit auch die Komposition
den Charakter des Lebendigen annimmt und dass ebenso die musikalische
Darbietung den Charakter des Lebendigen annimmt und zum Kunstwerk erblüht.
Ist dieser
innere Atem auf der Ebene des Geistes nur schwach wirksam – was bedeutet,
dass die Koordination von innerem Atem und Geist nur schwach ausgebildet
ist –, so richten sich die geistigen Interessen des Menschen ganz automatisch
und wie selbstverständlich mehr auf die irdische Sphäre des
Leblosen und beschäftigen sich vorwiegend mit dem Aspekt des Materiellen.
Ist jedoch
der innere Atem im Geiste stark wirksam, das bedeutet, sind Geist und
innerer Atem vollendet integriert und auf der Ebene des Ichs zur Einheit
verschmolzen, so beschäftigt sich dieser hochentwickelte spirituelle
Mensch überwiegend mit dem Lebendigen selbst.
Er erkennt die ganze Natur als Ausdruck des Lebendigen selbst und drückt
in seiner äußeren Handlung, in seiner Darbietung der Musik,
auch nur das Lebendige aus.
Es ist der
innere Atem, welcher substantiell die Lebendigkeit der Komposition ausmacht.
Von dieser Lebendigkeit hängt es ab, wieweit und wie umfassend
eine Komposition den Hörer bewusst anzusprechen vermag.
Diese vom
inneren Atem mitgegebene Lebendigkeit ist es, die ein Musikwerk zu einer
ganz persönlichen Aussage der Seele werden lässt – im Unterschied
zu einer äußerlich intellektuellen Überlegung.
Und der innere Atem ist es auch, der uns allen die Musik so unendlich
viel vertrauter erscheinen lässt als alle äußerlichen,
intellektuellen Aussagen.
Nur durch
den bewussten Anteil an innerem Atem entsteht in der erlebten Musik
ihre für den Verstand so befriedigende und für das Gefühl
so erfüllende Wirkung – nicht durch irgend etwas anderes. Deshalb
ist der innere Atem die Grundlage der Musik.
Der innere
Atem der Musik ist die Totalität von Raum und Zeit, von Kausalität
und Zweckfreiheit.
Er ist die Totalität der Freiheit aller Motive jenseits von Raum
und Zeit und jenseits kausaler Überlegungen, und er ist die Totalität
der Freiheit aller Sequenzen jenseits von Raum und Zeit – und doch erfasst
er Raum und Zeit in ihrer Substanz.
Dieser innere
Atem ist jenseits von Geburt und Vergehen der Musik, und er ist die
unendlich verdichtete vielfältige Schönheit der Komposition.
Gegenüber diesem urlebendigen Kontinuum erscheint jede tönende
Komposition auf der Ebene des Geistes nur wie ein Schattenbild gegenüber
der tatsächlichen Wirklichkeit.
Hier liegt
das anfangs- und endlose Feld der Musik, welches über die Kreativität
des Künstlers sein Licht hinauswirft in die Welt der Töne
und dessen Glanz wiederum in der musikalischen Aufführung das Ohr
des Hörers erreicht.
Dieser Lichtschein
des Lebenslichtes wurde in der bisherigen Musiktheorie nur wie schattenhaft
erfasst. Aber zu allen Zeiten ging die Musikpraxis weiter in die Tiefe
als die Theorie. Und diesem Umstand verdanken wir es auch, dass die
Liebe zur Musik bis heute erhalten geblieben ist. |
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Ich
glaube zunächst, dass diese universale, schwingende Kraft die menschliche
Seele mit der allmächtigen Zentralkraft verbindet, aus der das
Lebensprinzip stammt, dem wir alle unser Dasein verdanken. Diese Kraft
stellt für uns das Bindeglied zur höchsten Macht des Weltalls
dar, von dem wir alle ein Teil sind. Wäre es nicht so, könnten
wir uns nicht in Verbindung damit versetzen. Wer dies zu tun vermag,
wird inspiriert.
Richard
Wagner |
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