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Der
geisteswissenschaftliche Aspekt der Musik betrifft das Geistige an der
Musik und die Prinzipien der systematischen Erkennung und Darstellung
von Wahrheiten durch den menschlichen Verstand.
Der menschliche
Geist stellt das Material dar, mit dem vom Musikschaffenden die Musik
zum ersten Mal zum Klingen gebracht wird. Und hier ist der Geist beziehungsweise
die Physik des Geistes das Musikinstrument, mit dem der Ton erzeugt
wird.
Gleichzeitig
ist der Geist aber auch der Ton selbst, die schwingende Tonsubstanz
in der Form der Wellenbewegung auf der Geistesoberfläche, und die
klingende Komposition ist die Veränderung der Geistesoberfläche
des Tonkünstlers unter dem Aspekt der Schwingung.
Die Erkenntnisgewinnung,
wie wir sie sonst in der Geisteswissenschaft kennen, ist eine Leistung
des Ichbewusstseins und geschieht mittels seines Hauptorgans, des Intellekts.
Durch den
Intellekt erlangt das Ichbewusstsein über die Qualitäten des
Gefühls und des Verstandes die Erkenntnisse über den Sinn
der musikalischen Aussage.
Darüber
hinaus überträgt das Ichbewusstsein durch die Kräfte
des Gefühls und des Verstandes die ihm innewohnenden Erkenntnisse
in die Sprache der Musik. Und den Ausdruck dieser Musik der Stille
– tief im Gewissen des Tonkünstlers – projiziert das kreative Ich
des Musikschaffenden auf die Oberfläche seines Geistes, an welcher
sich der Gehörsinn des Tondichters nährt.
Insofern
ist Musik einerseits eine Aprioriwissenschaft, denn auf
der Ebene des Ichbewusstseins wird durch die schöpferische Kraft
systematisch Wissen in Samenform erkannt und – von dieser intuitiven
Erkenntnis ausgehend – auf die Ebene des Geistes projiziert und als
künstlerisches Musikereignis an die Umwelt abgegeben.
In der ausgeführten
Betrachtensweise ist die Musik aber auch als eine empirische Wissenschaft
beschrieben; denn über den Intellekt tastet das Ich mit dem Gehörsinn
auf der Ebene des Geistes das dort geschaffene Musikereignis systematisch
ab, erfährt so – wie von außen – den Wahrheitsgehalt in der
musikalischen Struktur der Komposition und ermittelt den Grad der musikalischen
Meisterschaft.
Man könnte
dieses empirische Erfassen von Musik auch das naturwissen-schaftliche
Erfassen der Musik nennen, und man könnte das Apriorierfassen
von Musik die geisteswissenschaftliche Erkenntnismethode der Musik
nennen – im Sinne des Fundamentes der musikalischen Kreativität;
denn a priori entsteht die Musik – vom Ich ausgehend –, und empirisch
wird sie – wiederum vom Ich ausgehend – gehört.
In vollständigem
Kreislauf beider wissenschaftlicher Betrachtensweisen geht die Information
des musikalischen Ereignisses vom schaffenden Ich aus, dringt über
den Intellekt in die Ebene des Geistes vor, wird dort vom Gehörsinn
erfasst und über den Intellekt wieder zum hörenden Ich zurückgeleitet. |
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